Das Duo Galina Matjukowa (Traversflöte) aus Minsk, Weißrussland und Dmitri Subow (Klavier, Cembalo) aus St. Petersburg, Russland, beide Gründungsmitglieder des weißrussischen Ensembles "Kammersolisten Minsk", hat sich auf Musik für Flöte und Cembalo des 18. Jahrhunderts sowie auf Musik für Flöte und Klavier des 19. Jahrhunderts spezialisiert. Sie musizieren zum Teil auf historischen Instrumenten.

Freitag, 3. November 2017

LETZTE REZENSION

GÄUBOTE
02.11.2017
Lokal Kultur

Barocke Klangbrillanz mit hochkarätigem Duo

Herrenberg: Musiker aus Weißrussland kredenzen Kammermusik für Traversflöte und Cembalo

Die weißrussischen Musiker Galina Matjukowa und Dmitri Subow kennen sich noch aus ihren aktiven Zeiten im Wolgograder Sinfonieorchester. Galina Matjukowa spielte die Querflöte, während Dmitri Subow das Orchester dirigierte. Bei ihrem Gastspiel in der Mutterhauskirche reicht das virtuose Duo erlesene kammermusikalische Preziosen aus der Blütezeit des Barock an.

Rüdiger Schwarz

Das Cembalo stand hoch im Kurs, die Traversflöte war ein noch recht modernes Instrument. Der musikalische "Flirt" der weichen und sublimen Klangfacetten der Traversflöte mit den fein und zierlich gesponnenen Tönen des Cembalos nimmt seinen Lauf. Den Auftakt macht eine Sonate für Flöte und Basso continuo des italienischen Komponisten Pietro Locatelli. Übernimmt das Cembalo den für diese musikalische Epoche so bezeichnenden Generalbass, dann fällt dieser sehr zart und luftig aus, gesellt sich dazu noch die geschmeidige Melodiestimme der Traversflöte, ist der Zauber perfekt gemacht. Die Sonate Locatellis bringt einem zu Gehör, was sich als roter Faden durch das Programm dieses musikalischen Wochenschlusses ziehen wird. Gefällig-liebliche, sehr gesangliche Passagen wechseln sich mit galant sprudelnden, heiteren Stimmungen ab.

Geschwind, rasant gespielte Querflötenläufe gipfeln in verzierte Figuren und werden vom Cembalospiel über einen fast schon harfenähnlichen Generalbass getragen. Wie sich die beiden Instrumente da umgarnen, das klingt verführerisch, erinnert an einen amourösen Reigen, an pikante Liebesjagden nebst anderen lukullischen, höfisch-galanten Freuden. Im dritten Satz der Sonate legt Galina Matjukowa ein dermaßen rasantes Tempo vor, dass einem schwindelig werden könnte, man unweigerlich an den Hummelflug eines Rimski-Korsakow denkt. Dennoch bleibt dieser vor Leben übersprühende Elan stets geschmackvoll, diffizil und kapriziös. Barock, das ist das Zeitalter einer mal mehr, mal weniger gezügelten Affektenkunst, es ist die Zeit einer üppigen Sinnlichkeit, die Vergänglichkeit und den Tod stets vor Augen habend. Neben Lust und Genuss inszeniert der Barock die Macht des Todes, man denke nur an die unzähligen Vanitas-Motive, das allgegenwärtige Memento mori in der Stilllebenmalerei jener Jahre.

Folglich liegen auch beim Franzosen Jean-Marie Leclair Lust und Tod nahe beieinander. In diesem Falle recht drastisch, findet doch der Komponist und ehemalige Schüler von Pietro Locatelli in einer Absteige in einem der unsichersten Viertel des damaligen Paris ein grausames Ende. Am Morgen des 23. Oktober 1764 wird Leclair, in einer Blutlache liegend mit drei Messerstichen getötet, im Hausflur vorgefunden, die Umstände seiner Ermordung bleiben ungeklärt. In den Flötensonaten des vormaligen Tänzers und Ballettmeisters und späteren Hofkapellmeister am Hofe Ludwigs XV. springt einem eine gewisse Nähe zum italienischen Barockstil ins Gehör. Beim einleitenden Adagio, das einem elegischen, ruhevollen Air gleicht, spielt Galina Matjukowa ihre lyrische Verzierungskunst aus. Im weiteren Verlauf der vier Sätze mag der Zuhörer sich wie auf einem erquicklichen Gastmahl inmitten höfisch-barocker Bacchanalien fühlen. Doch sobald Dmitri Subow seinem Cembalo hauchzart perlende Klänge entlockt, die Querflöte dazu eine wohltemperierte, wehmütige Note anreicht, kommt wieder diese leise Melancholie der Vergänglichkeit allen Seins ins Spiel.
Fragiles Klangfarbengespinst

Eine Entdeckung ist sicherlich das von Francois Couperin für Cembalo komponierte "Les Rozeaux", zu deutsch "Die Schilfrohre". Tatsächlich: Das fragile, faserdünne und transparente Klangfarbengespinst ahmt auf eine sehr bezirzende, lautmalerisch-manieristische Art und Weise das Rauschen von sich im Wind wiegenden Schilfrohren nach. Dmitri Subow spinnt ein sehr feinsinniges und feinnerviges, glänzendes, fast schon ätherisches Klangziergitter. Nicht weniger berückend gerät eine von insgesamt zwölf Fantasien, die Georg Philipp Telemann um 1730 für Soloflöte zu Papier gebracht hat. Die traumwandlerisch und deliziös anhebende Melodie mündet in ein fugiertes, lebhaft tänzelndes Thema, das in einem anregenden "Spirituoso" endet. Diese in d-Moll gehaltene Fantasie Nummer sechs verlangt der weißrussischen Virtuosin einiges an auf der Traversflöte für schier unmöglich gehaltenen Bewegungen ab.

Natürlich darf bei so einem Konzert Barockikone Johann Sebastian Bach nicht fehlen. Drei Werke für Traversflöte und Cembalo sind von ihm erhalten geblieben. Auch bei der Sonate für Flöte und Basso continuo in e-Moll beweist das Duo seine Extraklasse, spielt sich die musikalischen Steilvorlagen scheinbar mühelos und leichter Hand zu, legt ein exzellentes Gespür für barocke Effekte an den Tag. Die Klangfarben changieren zwischen einem sanften, beseelten Adagio, einem funkensprühenden Allegro, einem innigen Andante und einem glückselig jubilierenden Allegro. Bachs Flötensonaten gehören mit zu seinen intimsten Werken. Zum Schluss gleitet der Zuhörer mit den beiden Instrumentalisten und einer Flötensonate von Carl Philipp Emanuel Bach ins empfindsame Zeitalter hinüber: Mozart ist nicht mehr weit entfernt.


https://www.heimsheim.de/upload/pdf/180830_konzertbericht_minsker_kammersolisten_sept_17.pdf

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